/Infiziert oder nicht? Hunderte Familien im Ausnahmezustand

Infiziert oder nicht? Hunderte Familien im Ausnahmezustand

„Dear caller, we are not available, please leave a message after the beep“, ist das einzige, was ein Anrufer der privaten Berlin Metropolitan School am Dienstagmorgen zu hören bekommt: Berlins erste Schule, die wegen des Coronavirus am Montag ihre Schließung verkündete, scheint nicht besonders auskunftsfreudig. Auch auf den Homepage war nichts über den Stillstand des Schulbetriebs zu erfahren, der für Montag und Dienstag verkündet worden war.

Ganz anders die ebenfalls geschlossene öffentliche Emanuel-Lasker-Sekundarschule in Friedrichshain. Dort gab es einen Hinweis auf der Homepage, und am Telefon saß Schulpsychologin Diana Sankowski und beantwortete ununterbrochen Fragen von Anrufern.

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„Die meisten wollen wissen, wer getestet werden soll“, berichtet Sankowski am Morgen. Dass an der Schule wegen eines infizierten Lehrers „bis auf Weiteres“ kein Unterricht stattfindet, hatte sich weitgehend herumgesprochen. Nur „einzelne“ Schüler hätten vorm Schultor gestanden und seien nach Hause geschickt worden.

80 Kinder waren auf Skireise in Südtirol

Der Informationsbedarf ist immens, weil rund 80 Schüler mit einem infizierten Lehrer auf Skireise im Südtiroler Ahrntal waren. Samstagabend kamen sie zurück, am Montag waren sie in der Schule – bis auf vier Kinder, die krank waren. Ob sie ebenfalls mit dem Coronavirus infiziert sind, sei noch nicht klar, berichtet Sankowski.

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Ebenso wenig weiß man, ob sich weitere der 80 Schüler sowie die begleitenden Erwachsenen infiziert haben – und ob sie gegebenfalls ihre Geschwister, Eltern und Freunde angesteckt haben. Diese Unsicherheit war es dann auch, die dazu führte, dass die Friedrichshainer Modersohn-Grundschule am frühen Morgen entschied, den Schulbetrieb zu stoppen: Nahezu alle Eltern wurden offenbar noch vor Schulbeginn erreicht, wie Mitarbeiter berichteten.

Grund für die spontane Aktion, die sich noch am späten Vormittag nicht einmal auf der Schulhomepage wiederfand, seien enge Verflechtungen mit der Emanuel-Lasker-Schule – etwa Geschwisterkinder, die beide Schulen besuchen. Wie es am Mittwoch weitergehen soll, wurde vormittags in Krisensitzungen zwischen der Schule und den Ämtern verhandelt.

Fragen und Antworten zum Coronavirus

Warten auf das Votum des Gesundheitsamtes

Groß ist auch die Aufregung an der Tempelherren- und an der Mascha-Kaléko-Grundschule in Tempelhof: Von ihnen befinden sich diese Woche rund 30 Schüler und Begleiter – Lehrer und Eltern – auf Skireise. Sie sind in Südtirol – ebenso wie zuvor die Gruppen der Emauel-Lasker-Schule. Allerdings nicht in Ahrntal, sondern in Meransen.

Noch am Dienstagmittag soll geklärt sein, ob die Rückkehrer ab kommendem Montag erstmal zuhause in Quarantäne werden bleiben müssen: Schulleiter Frank Dieckmann wollte dies veranlassen, war aber von der Schulaufsicht gebeten worden, erstmal das Votum des Gesundheitsamtes abzuwarten. Dies sollte gegen Mittag vorliegen.

Aufgeregte Eltern in Whatsapp-Gruppen

Unter den Eltern der in Berlin gebliebenen rund 600 Kindern beider Schulen ist die Aufregung groß, obwohl das Virus für Kinder als nicht besonders gefährlich gilt: Etliche haben sich in Whatsapp-Gruppen zusammengeschlossen und fordern eine Quarantäne für die Heimkehrer, um das Ansteckungsrisiko für ihre Kinder zu reduzieren.

Dem Vernehmen nach drohen einige Eltern damit, ihre Kinder von der Schule fernzuhalten, falls die Kinder aus Südtirol am Montag direkt wieder in die Schule kommen.

Keine bundesweit einheitlichen Vorgaben bei Schulschließungen

Bundesweit einheitliche Vorgaben, wie mit Schulschließungen umzugehen ist, gibt es nicht. Aus der Kultusministerkonferenz (KMK) heißt es, jedes Land beschließe seine eigenen Maßnahmen.

Die Staatssekretäre befänden sich bei dem Thema aber im ständigen Austausch. In dieser Woche werde es wie bereits in der vergangenen Woche eine Schalte dazu geben. Dort geben man die Erfahrungen weiter. Jedes Bundesland habe einen Krisenstab eingerichtet, an dem nicht nur das jeweilige Kultusministerium, sondern auch die jeweiligen Gesundheitsämter und die Innenministerien beteiligt sind.

NRW schloss bereits mehrere Schulen

In Nordrhein-Westfalen, wo es bislang die meisten Infektionen mit dem neuen Coronavirus gibt, ist es in der vergangenen Woche jedenfalls schon zu mehreren Schulschließungen gekommen. In Mönchengladbach und in Bonn zum Beispiel wurde jeweils eine Grundschule für mindestens 14 Tage geschlossen, nachdem sich eine Lehrkraft infiziert hatte – in Mönchengladbach war es ein Lehrer, in Bonn ein Student, der bei den Hausaufgabe hilft.

In beiden Fällen müssen Schülerinnen und Schüler, die von den betroffenen Lerhkräften unterrichtet wurden, jetzt in häuslicher Quarantäne bleiben. In Bonn gilt das etwa 14 Tage lang für 150 Schüler, in Mönchengladbach für die Kinder der dritten Klasse und das gesamte Kollegium. Die Geschwister der betroffenen Schüler konnten in Mönchengladbach weiter andere Schulen oder die Kita besuchen, auch die Eltern sind nicht in Quarantäne.

Andere Schulen in NRW und ebenso jetzt zwei Einrichtungen in Thüringen wurden für kürzere Zeit geschlossen, nachdem Verdachtsfälle bei Schülern oder Lehrkräften auftauchten – die sich dann aber nicht überall bestätigten.

In Bayern sollen einige Schülerinnen und Schüler erst einmal zu Hause bleiben

In Bayern sollen Schülerinnen und Schüler, die in den vergangenen beiden Wochen in einem der ausgewiesenen Risikogebiete im Ausland waren, nach den jetzt zu Ende gegangenen Faschingsferien erst einmal zu Hause bleiben. Die Nicht-Teilnahme am Unterricht gelte in diesem Fall als entschuldigt, teilte das Kultusministerium mit.

Die Eltern in NRW wurden allerdings auch darauf hingewiesen, dass man aus Sorge seine Kinder nicht einfach zuhause lassen können – es bestehe schließlich Schulpflicht.