Svenja Schulze, Renate Künast und Axel Voss sind heute auf der re:publica zu Gast

– Am Montag begann die 13. Digitalkonferenz re:publica.

– Markus Beckedahl, der Kopf hinter netzpolitik.org, kritisiert Bundesinnenminister Horst Seehofer für eine Reihe geplanter Gesetze, die zu mehr Überwachung führen würden.

– Arbeitsminister Hubertus Heil plädiert für einen deutschen Weg, der Menschen im Wandel der Arbeitswelt mitnehmen soll.

– Mit Frank-Walter Steinmeier kam erstmals ein Bundespräsident zur re:publica. Er zog bei der Eröffnungsrede soziale Plattformen in die Verantwortung.

– Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, sprach sich für eine Digitalsteuer aus.

– Dorothee Bär, Staatsministerin für Digitalisierung, ist nicht vor Ort. Dabei hätte sie keine Einladung gebraucht.

– Bis Mittwoch geht es noch um Themen wie Künstliche Intelligenz, Plattformregulierung, die Urheberrechtsreform oder die Zukunft der Arbeit.

– Insgesamt umfassen die re:publica und die begleitende Media Convention Berlin (MCB) Hunderte Programmpunkte.

Die 5 Highlights für Dienstag

Um 12 Uhr kommt CDU-Mann Axel Voss zum Streitgespräch „Lass uns reden“ – also der Politiker aus dem EU-Parlament, der die Verabschiedung der umstrittenen Urheberrechtsreform vorangetrieben hat.

Markus Beckedahl, Gründer der re:publica, diskutiert um 16:15 Uhr mit Svenja Schulze, Tilman Santarius und Nadine Kreutzer über „Die neue DNA: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Action“.

Eine gute Stunde später, um 17.30 Uhr, hält Frank Rieger einen Vortrag über „Cyberwar und hybride Kriegführung“.

Gleichzeitig sprechen Philipp Kreißel, Sina Laubenstein und Renate Künast über das Thema „Digitaler Hass gegen die Demokratie“.

Ab 18 Uhr wird eine Sonderausgabe des Podcasts „Lage der Nation“ aufgenommen.

Um 10 Uhr geht das Programm übrigens wieder los

Gilt natürlich erst Recht, wenn es auch noch einen Liveblog vom Tagesspiegel gibt

Sascha Lobo beschließt den ersten re:publica-Abend mit einer ausführlichen, historischen Recherche zur „Plastikkrise“ seit 1969 – auf die hin es nach Verbots-Debatten schnell ein „Re-Branding der Umweltverschmutzung als Schuld des einzelnen“ gab, einem Vergleich der Pendlerpauschale als „deutschestes Instrument, das man sich vorstellen kann“ mit niedrigen deutschen Bahn-Investitionen im internationalen Vergleich und schließlich einem schnörkellos und ernsthaften Appell zum Klimaschutz.

Das smarte Wohnzimmer am Google-Stand ist verwirrt:

Gute Nacht.

.@saschalobo sagt: „Falsche Vorstellungen von der Realität führen zu falschen Debatten und falsche Debatten führen zu falscher Politik.“ Das ist auch eine „Krise der Expertise“. #rp19

— Carsten Werner (@cwergHB) May 6, 2019

„Die Krise der Expertise“ performt @saschalobo minutenlang mit Presseschnipseln aus zehn Jahren, in denen der #ifoindex ständig „überraschend steigt“ oder (seltener) „überraschend steigt. Man muss das bei der Bandbreite der Zitate auch als böse #medienkritik nehmen. #rp19

— Carsten Werner (@cwergHB) May 6, 2019

„Realitätsschock“ von Sascha Lobo beginnt mit der charmanten Frage „Sind wir alle ein Idiot?“ … die neulich noch dachten, Hillary Clinton müsste nicht nur, sondern würde auch jetzt gerade Präsidentin der USA sein. Und dann den Brexit für quasi ausgeschlossen hielten. Oder das Insektensterben.

Gerät die Welt aus den Fugen? Nein, sie gerät eher in die Fugen, sagt Lobo: Unser lange Jahre gehegtes Weltbild war zu oft eine kollektive Illusion – vereinfacht und „im nicht mal schlechtesten Fall kompletter Unfug“. Inzwischen ist die Blase geplatzt: Realitätsschock!

Die österreichische Grünen-politikerin Sigrid Maurer berichtet, was passiert, wenn man sich öffentlich gegen sexistische Hassposts wehrt. Sie hatte Screnshots der Posts veröffentlicht – und wurde anschließend vom Inhaber des aggressiven Accounts verklagt. Der behauptete, jemand anderes hätte die Nachrichten in seinem Namen verpasst. Maurer berichtet von dem skurrilen Gerichtsverfahren. Und von einem Richter, der tatsächlich andeutete, sie könne den Hass ja provoziert haben.

Facebook gibt seltene Einblicke

Um „Medien, Manipulationen und Microtargeting“ ging es bei einem Panel, zu dem auch Semjon Rens eingeladen war, der Public Policy Manager von Facebook Deutschland. Ein interessanter Einblick, denn das soziale Netzwerk macht sich, gemessen an seiner Größe und Bedeutung, verhältnismäßig rar in der öffentlichen Debatte.

Rens glaubt, dass alle Parteien grundsätzlich die gleichen Chancen beim Wahlkampf auf Facebook hätten: „Es ist ja auch der gleiche Algorithmus“. Rens räumte allerdings ein, dass die Diskussion darüber, welche Rolle Algorithmen in der Politik spielten, erst am Anfang stehe. Regulierungsbedarf sieht er aber vor allem in einem anderen Feld: Dort nämlich, wo Parteien oder andere Organisationen mit riesigen Datenmengen operieren und passgenaue Werbeanzeigen für winzig kleine Gruppen oder Einzelpersonen schalten – dem Microtargeting. „Was wir brauchen, sind Regeln für das Microtargeting“, sagte Rens wörtlich. Nur zur Erinnerung: Das, was Cambridge Analytica einst auf Facebook gemacht hat, war nichts anderes als – Microtargeting.

Tabea Wilke, CEO von botswatch Technologies, kritisierte die Regulierungs-idee von Rens: Wenn Microtargeting reguliert werde, habe das nicht nur Auswirkungen auf die Politik, sondern auch auf wirtschaftliche Geschäftsmodelle. „Ich habe manchmal das Gefühl, wir regulieren um des Regulierens Willen. Wir müssen aufpassen, dass wir das Internet nicht kaputt regulieren.“ Anja Zimmer, Direktorin der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, übte sich im vergifteten Lob und fand Wilkes Kritik „unterhaltsam“. Wohl aber nicht sonderlich ernstzunehmend.

Rens selbst hingegen richtete den Blick schon auf die Zeit nach der Europawahl am 26. Mai. „Wir müssen alle relevanten Akteure an einen Tisch holen“, sagte er, „um zu schauen: Wie kann ein Regulierungsrahmen aussehen?“ Dazu zählten auch die klassischen Medien, denn Falschinformationen bekämen durch die Verbreitung in Massenmedien erst einen richtigen „Boost“. Außerdem spielten „Parteien eine große Rolle“. Rens berichtete von einer österreichischen Partei, die mit den Mitteln der Trollfabrik von Sankt Petersburg gearbeitet und zwei Internetseiten mit Falschinformationen veröffentlicht habe. Dieser Vorgang sei auch bei Facebook registriert worden. Rens meinte damit übrigens wohl die SPÖ, die 2017 mit einer Schmutzkampagne gegen den jetzigen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einen Skandal auslöste.

Großes Thema vor der Europawahl: Microtargeting, Manipulation und Desinformation in den sozialen Medien. Beim Talk auf Bühne 7 lernen wir: Facebook bemüht sich bei politischer Werbung jetzt um Transparenz – wohl auch um das schlechte Image aufzupolieren. Nötig wäre aber offenbar gesetzliche Regulierung politischer Werbung in den sozialen Medien. Und: Viele Leute haben Angst vor Wahlbeeinflussung über Social Media. Es gibt aber bislang noch keine Studien, die Auswirkungen von Desinformationskampagnen belegen würden.

Bild:
Maria Fiedler

Radikale Digitalisierung der Energiesysteme

Bei strahlender Sonne und starkem Wind bringt Strom aus erneuerbaren Energien die Netze an ihre Belastungsgrenze. Aber bei einer sogenannten Dunkelflaute können Eeneuerbare den Strombedarf nicht annähernd decken. Lösungen für solche Kernpobleme der Energiewende erhoffen sich Energieexperten auf der re:publica von einer radikalen Digitalisierung der Energiesysteme.

Die ist aber nur möglich, wenn Bürger bereit sind, bis zu einem Gewissen Grad ihre Verbrauchsdaten peiszugeben – das ist Konsens auf einem Energie-und Big-Data-Panel: „Wir brauchen die Akzeptanz der Betroffenen, sonst wird dieser Prozess nicht gelingen“, sagt Cosima Osang vom aus Bundesmitteln geförderten Projekt WindNode.

WindNode erprobt unter anderem, wie sich der Stromverbrauch in Haushalten an die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien anpassen, also flexibilisieren lässt. Zugleich soll mithilfe künstlicher Intelligenz auf Basis von Verbrauchsdaten besser vorhergesagt werden, wann wo wieviel Strom gebraucht wird.

Helle Lichter auf der re:publica – auch smart und energieeffizient gesteuert?

Bild:
Christian Schaudwet

Das menschliche Maß – unergründlich, nach wie vor, und megaeffizient. Kleine Erkenntnis und Mahnung per Comic beim Päuschen zum Kaffee- und Luftschnappen. Mehr davon hier: https://weneedtotalk.ai/ (also Erkenntnis und Mahnung – Kaffee und Luft weiter analog)

Das Digitale muss ins Analoge

Die komplizierte Sache mit dem Nachhaltigkeitsdings … auch @ #rp19

Hihi, das #rp19-Umhängebändchen ist „made to be reused as a keyband“. Weil wir alle nur alle 10 Jahre auf eine Bändchenveranstaltung gehen. Wie wärs mit „reused as part of a carpet“?

— Kathrin Passig (@kathrinpassig) May 6, 2019

Daten in der Energiewelt

Morgen stellt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) auf der re:publica ihre „umweltpolitische Digitalagenda“ vor. Heute schon diskutierten Alexander Willner (Fraunhofer Fokus), Christian Bogatu (Fresh Energy) und Veronika Brandt (Bosch Software Innovations) über die künftige Rolle der Daten in der Energiewelt. Mein Kollege Christian Schaudwet fasst zusammen: Ohne intelligente und tiefgreifende Nutzung auch persönlicher Daten ist die Energiewende nicht zu schaffen.

Diskussionsrunde

Bild:
Christian Schaudwet

Mehr IT-Kompetenz in Verwaltungen

Stefan Kaufmann von der Geschäftsstelle Digitale Agenda der Stadt Ulm ist ein eher ungewöhnlicher Verwaltungsmitarbeiter, er kommt aus der Hackerszene. Mein Kollege Christian Schaudwet berichtet. „Wir brauchen viel mehr IT-Kompetenz in den Verwaltungen“, fordert Kaufmann. Die Städte müssten „weg von Hochglanz-Plattformen und Shin Apps, hin zu offenen Daten und Standards.

„Daten sind nicht das neue Öl, sondern das Grundwasser der Informationsgesellschaft“ und müssten der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Kaufmann plädiert für kollaborative Open-Source-Lösungen, für intermodale Mobilität statt Geschäftsmodellen, die auf Monopolisierung basieren. Beispiel: die Mobilitätsplattform der Stadt Karlsruhe, die verschiedene Verkehrsträger zusammenführt. Die technische Kompetenz hat die Stadt nicht outgesorct, sondern sie liegt bei der Verwaltung. (csa)

9000 Seiten ausgedrucktes Internet

Die längste Lesung der re:publica findet übrigensaus dem Grimme-nominierten Blog “Techniktagebuch“ statt: 9000 Seiten ausgedrucktes Internet auf Endlospapier, die gesammelten Texte der vergangenen fünf Jahre.

Internet auf Endlospapier

Bild:
Sebastian Christ

Wozu Heimat? – Wir sind Migration! Teil 2

Durch die Kombination von fixen Fakten und deutbaren Gefühlen könne der Heimatbegriff politisch für die Zuschreibung von Identitäten benutzt werden: Leute und Gruppen würden definiert , wie sie „sind“ und warum. Für Ferda Ataman ist Heimat eigentlich kein politisches Thema, sondern „ein rückwärtsgewandter Gefühlsbegriff“ – so habe Heimat immer mit Erinnertem, Vergangenem zu tun: „Wir sollten aufhören, über Heimat zu politisieren, „weil man den Geruch eines Birnbaums nur ganz schwer in Gesetze gießen kann“, so wichtig er vielleicht dem Einzelnen sei.

Auch den Begriff „Migrationshintergrund“ kritisiert Ataman: Er definiere juristisch und statistisch lediglich einen Abstammungshintergrund, nicht aber reale Migrationserfahrung. Foroutan bemerkt dazu, dass mit dem „politischen Tool der Identitätspolitik“ hantiert und politisiert werde, „seit Minderheiten in die Position gekommen sind, für sich selbst zu sprechen und auf sich aufmerksam zu machen“.

Was das mit Digitalisierung zu tun hat? „Eine Gesellschaft, die digital vernetzt ist, verlangt nach offenen Grenzen“, beantwortet Foroutan eine Frage aus dem Publikum. Sie rechnet damit, dass Grenzen weniger und durchlässiger werden. (Carsten Werner)

Wozu Heimat? – Wir sind Migration! Teil 1

So viele Netze auf dieser Netzkonferenz:Netz der Dinge, vernetzte Aktivisten, ein politisiertes Netz, vernetzter Alltag – Kommunikation und Lebensformen sind längst digital geprägt. Zeit, zu besprechen: welche Sphären trennt das Netz und welche umspannt es? Was trennt, was verbindet – und warum? Parallel zur Rede des Bundespräsidenten diskutierten im Eröffnungs-Panel unter dem Titel „Heimat my ass … Migration is us“ die Journalistin Ferda Ataman, die Integrationsforscherin Naika Foroutan, und der taz-Reportage-Redakteur Daniel Schulz, über das trennende und einende von Heimats- und Identitätsbegriffen: Wozu Heimat? – Wir sind Migration!

Migrationsbewegungen definiert die Fragestellung – parallel zur alles umfassenden, alles tangierenden Digitalisierung – zum stetigen Zustand. Heimat sei da, wird Heiner Müller zitiert, „wo die Rechnung ankommt“. Foroutan paraphrasiert: „Heimat ist da, wo mein Handy automatisch ins Wlan einloggt“. Sie hat bei einem Iran-Besuch unter Freunden und Verwandten nach einem Heimatbegriff – und neben „Familie“ noch „Haus“ und „Nation“ gefunden, kein Wort oder Gefühl aber, dass alles beinhaltet: „Heimat fasst zusammen: Ein Ort, ein Beziehungszusammenhang und ein Gefühl. Das in ein Ministerium gießen zu wollen, ist ziemlich komplex.“

Nazis im Netz

Dass man Nazis heute nicht mehr unbedingt an ihrer szenetypischen Ausgehkleidung (Bomberjacke, Springerstiefel) erkennt, dürfte mittlerweile bekannt sein. Dass Rechtsextreme auch in den sozialen Netzwerken unterwegs sind, ist dagegen ein vergleichsweise junges Phänomen. Dazu gab es heute Mittag den Vortrag von Sören Musyal und Patrick Stegemann.

Rechtsextreme wissen, dass sie wie ganz normale Influencer auftreten müssen, um ihre Gedanken an die meist junge Zielgruppe zu bringen. Sie verstehen soziale Medien als „Waffen“ im „Krieg“ gegen die offene Gesellschaft und nehmen die Regeln des Netzdiskurses auf. Sie geben Kochstunden, betreiben Reise-Tagebücher, suchen Beef mit anderen und vernetzen sich mit anderen rechten Influencern. Das ist einerseits gefährlich, weil diese Form der Kommunikation bisweilen Erfolg hat. Andererseits wirkt es oft immer noch peinlich, eben weil Rechtsextreme die sozialen Medien als „Waffen“ verstehen und bei der verzweifelten Suche nach politischem Impact hölzern wirken. Aber darauf sollte man sich womöglich nicht allzu sehr verlassen. Das Fazit von Musyal und Stegemann am Ende ihres Vortrags: „The Kids are Alt-Right – Naja, vielleicht ein bisschen.“

Realitäten ausgeblendet

Markus Beckedahl über die Urheberrechtsreform: „Wir als neue Urheber, als neue Sender, sind in der Debatte einfach vergessen worden.“ Beziehungsweise komplett übergangen, da die EU in ihrem Kreuzzug gegen Youtube Realitäten ausgeblendet habe. Das Zitatrecht sei unterentwickelt, ein Recht auf Remixe dringend geboten. Morgen wird Beckedahl auf der re:publica darüber mit Axel Voss diskutieren – dem CDU-Politiker aus dem Europaparlament, der die Urheberrechtsreform entscheidend vorangebracht hat.

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