Sechseinhalb Jahre nach ihrer Gründung ist die AfD weit davon entfernt, ein geschlossenes Bild abzuliefern. Der anstehende Bundesparteitag verspricht turbulent zu werden – wie bereits viele zuvor. Die Ausgangslage:
Die Wahlbilanz
Eigentlich kann die AfD dank der Wahlerfolge im Osten mit breiter Brust in den Parteitag gehen. Mit 27,5 Prozent in Sachsen, 23,5 Prozent in Brandenburg und 23,4 Prozent in Thüringen erreichte sie bei den jüngsten Landtagswahlen jeweils Platz zwei. Das ganz große Ziel, stärkste Kraft zu werden und bei der Regierungsbildung mitzureden, wurde allerdings verfehlt. Hinter den Erwartungen zurück blieb das Ergebnis der Europawahl im Mai mit elf Prozent. Eher bescheiden waren auch die 6,1 Prozent bei der zeitgleichen Bremer Bürgerschaftswahl.
Die Führungsfrage
Seit zwei Jahren bilden Alexander Gauland und Jörg Meuthen das AfD-Führungsduo. Meuthen ist seit Mitte 2015 Bundessprecher der Partei. Der 78-jährige Gauland, der auch Bundestags-Fraktionschef ist, übernahm den Vorsitz Ende 2017 und will ihn nun wieder abgeben. Als Nachfolger kandidiert der sächsische Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla. Allerdings kündigte auch der als rechter Scharfmacher geltende Gottfried Curio seine Bewerbung an, ebenso wie der unter Antisemitismusverdacht stehende baden-württembergische Landespolitiker Wolfgang Gedeon.
Die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst erwägt ebenfalls eine Kandidatur – vermutlich gegen Meuthen. Dieser geht ohnehin mit einer Hypothek in den Parteitag: Er wurde von seinem baden-württembergischen Kreisverband nicht zum Delegierten gewählt und hat somit kein Stimmrecht in Braunschweig. Ein Grund dafür soll Meuthens Kritik an AfD-Rechtsaußen Björn Höcke gewesen sein.
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Der Richtungsstreit
Der Streit zwischen eher gemäßigten und rechtsnationalen Kräften eskalierte im Sommer. Beim Kyffhäuser-Treffen des rechten „Flügels“ ließ sich Höcke heroisch in Szene setzen und machte ein Kampfansage an die eigene Partei: Er garantiere, dass der AfD-Bundesvorstand „in dieser Zusammensetzung nicht wiedergewählt“ werde.
Darauf platzte vielen der Kragen: In einem Appell kritisierten rund hundert teils prominente AfD-Politiker den „exzessiv zur Schau gestellten Personenkult“ Höckes. Meuthen teilte die Kritik, während Gauland schützend seine Hand über Höcke legt.
Die Landesverbände
Der „Flügel“ dominiert die AfD-Landesverbände im Osten – dementsprechend einheitlich ist deren Erscheinungsbild. Die „Flügel“-Frontmänner Höcke und Andreas Kalbitz führen die Landesverbände Thüringen und Brandenburg. Auch die AfD in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zählt zum rechten Lager. Höcke will, dass dem neuen AfD-Bundesvorstand mehr Vertreter aus dem Osten angehören.
Zahlreiche Landesverbände im Westen sind dagegen geprägt von erbitterten Richtungskämpfen zwischen „Flügel“-Gefolgsleuten und gemäßigteren Kräften. Besonders heftig ging es zuletzt in Baden-Württemberg, Bayern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland zu.
Der Verfassungsschutz
Höckes „Flügel“ wird seit Anfang des Jahres als „Verdachtsfall für rechtsextreme Bestrebungen“ geführt, ebenso die Nachwuchsorganisation „Junge Alternative“. Der „Flügel“ wird nach Einschätzung von Verfassungsschutzchef Thomas Haldenwang „immer extremistischer“. Höcke selbst darf einem Gerichtsurteil zufolge als „Faschist“ bezeichnet werden.
Anträge für den Parteitag zielen darauf, die sogenannte Unvereinbarkeitsliste der AfD abzuschaffen, auf deren Grundlage zahlreiche Parteiausschlussverfahren angestrengt wurden. Auf der Liste stehen rund 250 rechtsextreme Parteien und Organisationen. Deren aktive oder ehemalige Mitglieder dürfen nicht in die AfD aufgenommen werden.
Die Proteste vor Ort
Für Unmut bei der AfD sorgt die Ankündigung der Hallenbetreiber, während des Parteitags den Namen „Volkswagen Halle Braunschweig“ zu verhängen. Der VW-Konzernbetriebsrat wollte den Schriftzug sogar ganz abnehmen lassen. Die AfD stelle sich „gegen Werte unseres Konzerns wie Respekt, Vielfalt, Toleranz und partnerschaftliches Miteinander“, so die Begründung. Parteichef Meuthen rief daraufhin zum VW-Boykott auf.
Wie bei allen AfD-Parteitagen werden am Samstag und Sonntag massive Gegenproteste erwartet. Ein „Bündnis gegen Rechts“, dem sich über 160 Verbände, Gewerkschaften und Initiativen angeschlossen haben, will vor der Halle und in der Braunschweiger Innenstadt gegen die AfD demonstrieren. (AFP)