„Die Widerspruchslösung ist keine Wunderwaffe“

Monatelang wurde debattiert, nun entscheidet der Bundestag über eine Neuregelung der Organspende. Eine Parlamentariergruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will die doppelte Widerspruchslösung, bei der alle Bürger erst einmal automatisch als Spender gelten. Grünen-Chefin Annalena Baerbock und andere plädieren für eine Entscheidungslösung, bei der die Bürger um eine Entscheidung gebeten werden. Die Debatte beginnt um 9 Uhr. Nach der Diskussion wird entschieden – ohne Fraktionszwang und in namentlicher Abstimmung.

Spahn: „Widerspruchslösung ist keine Wunderwaffe“

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Grünen-Chefin Annalena Baerbock sind vor der Entscheidung im Bundestag am Donnerstag im Morgenmagazin. Spahn wirbt für die von ihm eingebrachte sogenannte doppelte Widerspruchslösung, macht aber auch klar: „Die Widerspruchslösung ist keine Wunderwaffe, sondern ein weiterer Baustein. Die Organspende muss zur Regel werden.“
Annalena Baerbock, die die sogenannte „Entscheidungslösung“ vertritt, betont noch einmal, dass die Menschen „Vertrauen“ haben müssen, um sich zur Organspende bereit zu erklären. Der Mensch gehöre zudem „sich selbst, und nicht dem Staat oder der Gesellschaft“. Das wiederum veranlasst den Gesundheitsminister zu einer deutlichen Reaktion: „Vielleicht sollen wir aufhören, dauernd solche Begriffe und Formulierungen zu verwenden, weil wir damit genau diese Angst schüren.“

Das Gesundheitsministerium twittert

Heute spannende Debatte über ein lebenswichtiges Thema im #Bundestag! Die Abgeordneten stimmen über die Reform der #organspende ab. Ab 9 Uhr beginnt die Debatte. Welche Vorschläge zur Abstimmung stehen, erfahren Sie hier: https://t.co/Hx1VDeQ6T6

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Wie ist Organspende andernorts in Europa geregelt?

Die
„Zustimmungslösung“ in Dänemark, Griechenland, Litauen, Rumänien und der Schweiz erfordert eine ausdrückliche Erklärung für die Organspende zu Lebzeiten einer Person. Liegt keine vor, können die Angehörigen entscheiden, wenn die Länder für diesen Fall die „erweiterte Zustimmungslösung“ vorsehen.

Die „Widerspruchslösung“ gilt bereits in Bulgarien, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Liechtenstein, Luxemburg, Österreich, Polen, Portugal, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, der Türkei, Ungarn und Zypern. Dort können Organe entnommen werden, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat. Das gilt auch für Urlauber, die in diesen Ländern versterben und ihre Entscheidung zuvor nicht dokumentiert haben. In Belgien, Estland, Finnland, Litauen und Norwegen können Angehörige der Entnahme widersprechen, wenn keine Zustimmung des Verstorbenen vorliegt. (tsp)

Kommentar: Der Staat darf nicht übergriffig werden

Der Bundestag entscheidet über eine Neuregelung der Organspende. Dabei muss bedacht werden: Der Zweck heiligt nicht jedes Mittel.

Tagesspiegel | Malte Lehming

Kommentar: Spahns Widerspruchslösung ist der richtige Weg

Der Vorschlag des Gesundheitsministers ist heftig umstritten. Aber der Eingriff in die Willensfreiheit wäre kleiner, als er gemacht wird.

Tagesspiegel | Jost Müller-Neuhof

Wie würden Sie entscheiden?

Wir haben sechs Bundestags-Abgeordnete vor der Abstimmung am Donnerstag nach ihrer Ansicht befragt.

Tagesspiegel

In Deutschland gibt es zu wenig Organspender. Der Bundestag entscheidet jetzt über zwei Vorschläge, um ihre Zahl zu erhöhen. Was soll sich ändern?

Tagesspiegel | Jana Heigl

Bundestag entscheidet über Organspende

Nach monatelanger Debatte entscheidet der Bundestag am Donnerstag (Debatte ab 09.00 Uhr) über eine Neuregelung der Organspende in Deutschland. Der Gesetzentwurf einer Abgeordnetengruppe um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) plädiert für die sogenannte doppelte Widerspruchslösung, bei der alle Bürger automatisch als Spender gelten sollen, wenn sie zuvor nicht aktiv widersprochen haben.

Ein unter anderem von Grünen-Chefin Annalena Baerbock getragener Entwurf sieht hingegen eine „Entscheidungslösung“ vor, bei der die Bürger bei Arztbesuchen, Ausweisverlängerungen und anderen Behördengängen um eine Entscheidung gebeten werden sollen.

Über die konkurrierenden Anträge wird ohne Fraktionszwang in namentlicher Abstimmung entschieden. Sollte keiner von beiden die erforderliche Mehrheit erreichen, bleibt es bei der derzeitigen Regelung, derzufolge Spenderorgane nur bei ausdrücklicher Zustimmung entnommen werden dürfen. (AFP)

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