Frau Koppers, in Medienberichten wird behauptet, die Staatsanwaltschaft habe in der Coronakrise die Arbeit weitgehend eingestellt. Was stimmt daran?
Nach den Entscheidungen des Senats von Berlin Mitte März zur Einschränkung des öffentlichen Lebens in der Stadt, von denen sämtliche Behörden und Institutionen des Landes Berlin betroffen waren, mussten auch wir den Dienstbetrieb einschränken. Das Herunterfahren bezog sich auf die Anwesenheit der circa 1500 Mitarbeitenden, davon circa 300 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, der Strafverfolgungsbehörden in den Gerichtsgebäuden – nicht aber auf die Erledigung der Arbeit an sich.
Angeblich hat die Staatsanwaltschaft zu Beginn der Coronakrise ihre Tätigkeit auf 20 Prozent heruntergefahren, die Generalstaatsanwaltschaft sogar auf zehn Prozent. Wie stark war die Arbeit tatsächlich in den vergangenen Wochen beeinträchtigt?
Die Maßnahmen waren angesichts der Corona-Pandemie zum Schutz der Mitarbeitenden erforderlich, von denen nur etwa ein Fünftel Einzelbüros zur Verfügung hat, im wesentlichen Staatsanwälte, und die zum großen Teil auf die Nutzung des ÖPNV angewiesen sind. Ich bin sehr dankbar dafür, dass alle drei Strafverfolgungsbehörden bislang von Corona-Erkrankungen nahezu verschont geblieben sind – mit Stand heute gibt es nur zwei positiv auf Covid-19 getestete Mitarbeiter. Keine Staatsanwältin und kein Staatsanwalt sind bislang positiv getestet oder gar erkrankt und niemand aus den Strafverfolgungsbehörden ist aktuell in Quarantäne. In puncto Quarantäne gab es zwischenzeitlich nur Einzelfälle.
Auf welche Schwerpunkte konzentrieren sich Amtsanwaltschaft, Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft seit Ausbruch der Krise?
Das Herunterfahren erfolgte selbstverständlich nicht in Gänze. Denn bestimmte Bereiche waren von Beginn an ausgenommen. Uneingeschränkt arbeitsfähig bleiben mussten von Beginn an die für die Strafvollstreckung zuständige Hauptabteilung im Bereich der Vollstreckung von Freiheitsstrafen, der Vollziehung von Unterbringungen in psychiatrischen und Entzugskliniken sowie Sicherungsverwahrung, die Staatsschutzabteilungen von Staats- und Generalstaatsanwaltschaft, die für Auslieferungen zuständige Rechtshilfeabteilung der Generalstaatsanwaltschaft, bei Amtsanwaltschaft und Staatsanwaltschaft die Abteilungen für Tötungs- und weitere Gewaltdelikte sowie telefonische Bereitschaftsdienste.
Zudem war die Bearbeitung von Haftsachen und Führerscheinsachen sicherzustellen. Dies galt auch für die Wahrnehmung von Hauptverhandlungen, die allerdings im wesentlichen nur noch auf Haftsachen beschränkt durchgeführt worden sind.
Sind die dafür zuständigen Staatsanwälte in den Dienstgebäuden tätig?
Die Anwesenheit im Dienstgebäude musste stark reduziert werden – auf 20 Prozent ab dem 17. März und auf 50 Prozent ab dem 20. April. Im Übrigen mussten die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in eigener Verantwortung Schwerpunkte setzen. Das betrifft vor allem die allgemeinen und Jugend-Abteilungen der Staatsanwaltschaft, die allgemeinen Abteilungen der Amtsanwaltschaft und die drei Rechtsabteilungen der Generalstaatsanwaltschaft.
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Das erfolgte ganz unterschiedlich, je nach Bedarf der jeweiligen Abteilungen. Zum Teil wurde im Wechseldienst, also täglicher oder wöchentlicher Wechsel der Anwesenheit, zum Teil in Teams gearbeitet. Damit wollten wir sicherstellen, dass bei einer etwaigen Infektion nicht die gesamte Abteilung in Quarantäne gehen muss. Denn es sollte auch sichergestellt werden, dass im Falle von Infektionen der Dienstbetrieb der Strafverfolgungsbehörden aufrechterhalten werden kann.
In welchem Ausmaß sind Staatsanwältinnen und Staatsanwälte jetzt im Homeoffice tätig?
Selbstverständlich sind die nicht im Gerichtsgebäude anwesenden Staatsanwälte und Staatsanwältinnen ihrer Tätigkeit auch im Homeoffice nachgegangen, haben beispielsweise zu Hause ihre Akten bearbeitet und Anklagen verfasst. Beispielsweise wurden 3000 Verfahren gegen unbekannte Täter aus der Eingangsregistratur herausgezogen und unmittelbar zur häuslichen Bearbeitung verteilt und dort erledigt.
Wie weit ist die Digitalisierung von Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwaltschaft fortgeschritten?
Insgesamt wurden 79 mobile Geräte vorrangig an Dezernenten und Dezernentinnen ausgegeben, mit denen ein uneingeschränkter Zugang auf alle Programme des dienstlichen Arbeitsplatzes möglich ist. Da in einigen Dezernaten bereits mit komplett eingescannten Akten gearbeitet wird, ist das schon ein echter Gewinn. Aber selbstverständlich ist der technologische Fortschritt in der Staatsanwaltschaft wie in der gesamten Justiz noch nicht weit genug gediehen.
Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Ausstattung zu verbessern. Für den nächsten Doppelhaushalt habe ich die Vollausstattung aller drei Strafverfolgungsbehörden mit mobilen Endgeräten angemeldet. Dies und die Einführung der elektronischen Akte werden Meilensteine für den staatsanwaltschaftlichen Alltag sein. Im Übrigen ist das Arbeiten mit dem privaten PC unter Einhaltung sehr klarer Datenschutz- und IT-Sicherheitsregeln erlaubt.
Wie geht es Ihnen selbst? Was hat sich in Ihrer Arbeit seit Mitte März geändert?
Mir selbst geht es gesundheitlich sehr gut. Mein Arbeitsalltag hat sich wesentlich geändert, weil nur noch sehr wenige – kleinere – Dienstbesprechungen in meinem Büro stattfinden, dafür deutlich mehr telefoniert wird und ich mehr am PC arbeite als sonst. Davon unabhängig bin ich selbstverständlich jeden Tag im Büro und genauso wie die Behördenleitungen von Amts- und Staatsanwaltschaft für alle Partnerinstitutionen – Polizei und Gerichte – jederzeit erreichbar.
Bei mir ist keine Kritik der Polizei an der Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden angekommen. Im Gegenteil arbeitet vor allem der polizeiliche Staatsschutz weiter sehr eng mit uns zusammen. Und wie man der Pressekonferenz letzte Woche oder verschiedenen Pressemitteilungen entnehmen konnte, gilt dies für den Corona-Subventions-Betrugsbereich, die Dienststellen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, die Verfahren der Betäubungsmittelkriminalität, Geldwäsche und ähnliche Deliktsbereiche in gleicher Weise.