/Reichen zwei Meter Abstand wirklich aus?

Reichen zwei Meter Abstand wirklich aus?

Das neuartige Coronavirus stürzt die Welt in die Krise. Wissenschaftler und Mediziner forschen weltweit an Impfstoffen und Medikamenten, die gegen Sars-CoV-2 helfen könnten. Die Liste der Forschungsprojekte und Tests ist ebenso lang wie die der Fragen: Wie lässt sich das Virus am besten eindämmen, welche Maßnahmen helfen wirklich? Wann können die Maßnahmen wieder gelockert werden?

In diesem Newsblog halten wir Sie mit Updates über die aktuellen Entwicklungen und Forschungsergebnisse zum Coronavirus auf dem Laufenden.

Interaktive Karte

Mittwoch, 15. April: Wie wahrscheinlich ist die Übertragung durch Atemluft?

Wenn mit dem SARS-Cov-2-Virus infizierte Menschen husten, niesen oder einfach eine feuchte Aussprache haben, können sie durch die dabei ausgestoßenen Tröpfchen andere in ihrer Umgebung anstecken: die sogenannte Tröpfcheninfektion. Auch eine Schmierinfektion ist nicht auszuschließen, wenn die durch Husten oder Niesen ausgestoßenen Tröpfchen auf einer Oberfläche landen, die dann von einem anderen Menschen angefasst wird und dieser sich etwa die Augen reibt.

Doch kann sich das neuartige Coronavirus auch in der Luft halten, die der Infizierte ausatmet, und so andere anstecken? Fragen zum Thema Aerosol werden derzeit erforscht. Als Aerosole werden sehr feine Tröpfchen bezeichnet, mit einem Durchmesser unter vier oder fünf Mikrometer. Aerosol lässt sich aber nicht scharf von den größeren Tröpfchen abgrenzen, da auch diese in der Luft trocknen und kleiner werden. Haften sich Bakterien oder Viren an diese Partikel, werden sie Bioaerosole genannt.

Je kleiner das Tröpfchen wird, desto höher ist die Chance, dass es für einige Zeit in der Luft stehen bleibt. Es ist aber auch desto schwieriger für das Virus, sich an ihnen anzuhaften. Das Virus trocknet dann und ist nicht mehr infektiös. Wie lange als besteht die Gefahr, sich an der Atemluft anzustecken?

Bereits Mitte März veröffentlichten Wissenschaftler dazu eine Studie im New England Journal. Darin legten sie nah, dass das SARS-2-Virus im Aerosol ungefähr drei Stunden lang infektiös ist. Der Charité-Chefvirologe Christian Drosten relativierte dieses Ergebnis in seinem NDR-Podcast. Die Autoren hätten ein künstliches Virusaerosol mit einer hohen infektiösen Viruskonzentration hergestellt. „Da kann sich niemand sicher sein, ob das wirklich dem entspricht, was ein infizierter Patient wirklich von sich gibt“, so Drosten.

Er führt aber auch eine Studie aus Singapur an, die nahelegt, dass eine Virusübertragung über Aerosol möglich sein könnte. Drei Covid-19-Patienten sind über längere Zeit hinweg untersucht worden, über mehrere Tage wurde die Raumluft analysiert. In zwei Fällen konnten aus der Raumluft sowohl Tröpfchen als auch Aerosol nachgewiesen werden.  

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Wissenschaftler in den USA vermuten, dass sich das neue Coronavirus auch über die Luft überträgt, genauso wie bei anderen Erregern wie Masern, Influenza und das frühere Coronavirus Sars-CoV-1. Die US-amerikanische „National Academies of Science“ warnte Anfang April vor der Übertragung durch Bioaerosole in der normalen Atemluft. Das deutsche Robert Koch-Institut ist zurückhaltender. Eine Übertragung über Aerosole sei „unter gewissen Umständen“ möglich.

Noch ist nicht klar, ob die Virusmenge in der Luft ausreicht, um einen Menschen zu infizieren. Wissenschaftler des Instituts für Umweltmedizin (IEM) am Münchner Helmholtzzentrum wollen nun die Coronaviren auf Bioaerosolen in geschlossenen Räumen messen.

„Wir wollen herausfinden, in welcher Fraktion der Luft wir das Virus finden und so verstehen, ob es sich eher an den größeren oder kleineren Partikeln anheftet“, sagt die Institutsdirektorin Claudia Traidl-Hoffmann dem „Spiegel“. Je kleiner die Partikel sind, desto tiefer können sie in die Lunge vordringen. Die Wissenschaftler nutzen dafür einen sogenannten Kaskadenimpaktor, ein Gerät mit hintereinander geschalteten, unterschiedlich feinen Sieben.

Die Frage, ob das Virus über die normale Atemluft übertragen werden kann, zieht Fragen nach dem nötigen Abstand zu anderen Menschen nach sich. Bisher werden in Deutschland 1,5 bis zwei Meter Sicherheitsabstand empfohlen. Wissenschaftler haben in einer belgisch-niederländische Studie dargelegt, dass der Abstand mindestens vier bis fünf Meter betragen sollte, beim Joggen und langsamen Fahrradfahren zehn Meter und beim schnellen Fahrradfahren 20 Meter. Sie simulierten dafür Partikelwolken, die Spaziergänger oder Sportreibende ausstoßen.

Christian Drosten zweifelt an einer großen Gefahr einer Aerosol-Übertragung im Freien. „Ich denke, dass sich ein starker Verdünnungseffekt einstellt und gerade eine Komponente von Aerosol-Übertragung, die offenbar jetzt immer mehr auch angenommen wird, sicherlich im Freien viel weniger eine Rolle spielt“, sagt er im NDR-Podcast. Diese Übertragung funktioniere insbesondere bei warmer, stehender Luft in geschlossenen Räumen.

„Jetzt weiß aber auch niemand genau, wie stark der Anteil dieser Aerosol-Übertragung gegenüber der Tröpfchen-Übertragung ist“, so Drosten.

Vor einer Virusübertragung durch die Atemluft in geschlossenen Räumen schütze auch das Tragen einer einfachen Mund-Nase-Maske nicht. Es gebe aber keinen Grund zur Panik, sagt Drosten. In vielen Räumen wie beispielweise Supermärkten würde die Luft durch raumlufttechnische Anlagen umgewälzt, was eine Ansteckung durch die Luft unwahrscheinlicher mache.

Dienstag, 14. April: Coronakrise verstärkt soziale Ungleichheit

Wie wirkt sich die Coronakrise auf die Arbeitswelt und die Kinderbetreuung in Deutschland aus? Dieser Frage sind Wissenschaftler der Uni Mannheim nachgegangen. Seit dem 20. März befragt ein Team um die Sozial- und Datenwissenschaftlerin Annelies Blom im Rahmen der „Corona-Studie“ jeden Tag 500 Menschen nach ihrem Leben während der Coronavirus-Epidemie.

Die gut 3500 Studienteilnehmer sind durch eine zufällige Stichprobe ausgewählt, sie repräsentieren also den Durchschnitt der deutschen Bevölkerung. In einem am 9. April veröffentlichten Schwerpunktbericht zu Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung haben die Forscher untersucht, welche Auswirkungen die Pandemie rund drei Wochen nach Einführung der Maßnahmen im Land hat.

Über die Hälfte der Beschäftigten arbeiten weiterhin vor Ort an ihrer bisherigen Arbeitsstätte, zuletzt 53,2 Prozent. Gut ein Viertel der Erwerbstätigen (26,5 Prozent) arbeiten im Home-Office. Ein deutlicher Zuwachs: Vor der Coronakrise waren es laut Statistischem Bundesamt 12 Prozent, die zu Hause arbeiten. 6,7 Prozent der Beschäftigten sind derzeit in Kurzarbeit.

Schlange stehen vor einem Laden im New Yorker Stadtteil Queens.Foto: dpa/Mary Altaffer

Die Forscher haben herausgefunden, dass die Coronakrise die bestehende soziale Ungleichheit verstärkt. Betroffen von den negativen wirtschaftlichen Folgen sind insbesondere die unteren Bildung- und Einkommensschichten, heißt es im Bericht.

Von Menschen mit hoher Schulbildung arbeiten 43 Prozent im Home-Office, Menschen mit niedrigem oder mittlerem Abschluss arbeiten hingegen zu 60 Prozent regulär vor Ort. „Der Anteil der Personen, die freigestellt werden, in Kurzarbeit müssen oder ihre Arbeit verlieren ist zudem höher, je niedriger die Bildung ist“, heißt es in der Studie. Bereits ein Drittel der Menschen mit niedriger Schulbildung ist entweder freigestellt, in Kurzarbeit oder arbeitslos. Der Anteil in Kurzarbeit hat sich hier von 5 Prozent auf 11 Prozent innerhalb einer Woche mehr als verdoppelt.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Betrachtung der Beschäftigungssituation nach Einkommen: Insbesondere die einkommensschwächsten Personen mit weniger als 1000 Euro Nettoeinkommen vor Corona monatlich arbeiten mehrheitlich vor Ort, während die Einkommensstärksten mit mehr als 2500 Euro netto zu 40 Prozent im Home-Office arbeiten.

Insbesondere die Einkommensschwächsten sind außerdem zunehmend von Freistellung, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit betroffen. Das trifft bereits auf 40 Prozent der Erwerbstätigen in Deutschland zu, die netto unter 1000 Euro verdienen. „Das heißt, dass untere Einkommensgruppen aufgrund ihrer Arbeit vor Ort vermutlich nicht nur einem größeren Risiko ausgesetzt sind sich mit dem Corona-Virus anzustecken, sie sind zudem auch viel früher von den negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen“, so die Autoren der Studie.

Besonders betroffen von der Krise ist das Gastgewerbe und das Kulturwesen. Im Gastgewerbe sind im Vergleich zu den anderen Wirtschaftsbereichen bereits große Anteile der Erwerbstätigen in Kurzarbeit (34 Prozent) oder arbeitslos (21 Prozent). Im Kulturbereich sind 21 Prozent bei Lohnfortzahlung freigestellt, 28 Prozent arbeiten im Home-Office. 10 Prozent sind ohne Lohnfortzahlung freigestellt, einer der größten Anteile.

Die Forscher haben außerdem herausgefunden, dass fast 93 Prozent aller Eltern ihre Kinder inzwischen selbst zu Hause betreut. Die Betreuung durch Großeltern hat sich hingegen von 8,3 Prozent der Coronakrise auf 1,4 Prozent reduziert.

Insbesondere Frauen leisten diese Erziehungsarbeit: In etwa der Hälfte der Paarhaushalte, die ihre Kinder selbst betreuen (52 Prozent), wird die Kinderbetreuung alleine von der Frau übernommen. In etwa einem Viertel der Haushalte wird die Betreuung am Befragungstag alleine vom Mann übernommen (24 Prozent).

In 24 Prozent der Haushalte teilen sich beide Partner die Kinderbetreuung. Je höher das Einkommen, desto wahrscheinlicher ist eine gemeinsame Betreuung der Kinder durch Mann und Frau oder eine Betreuung nur durch den Mann. Die Wissenschaftler betonen, dass Personen mit gutem Einkommen eher im Home-Office arbeiten können und so die Möglichkeit haben, die Kinderbetreuung aufzuteilen.

Samstag, 11. April: Luftverschmutzung beeinflusst die Todesrate

Schon lange vermutet, jetzt auch wissenschaftlich belegt: Die Luftqualität beeinflusst, wie viele Menschen in einer Region an Covid-19 sterben. Das haben Forscher aus Harvard in einer kürzlich veröffentlichten Studie herausgefunden. Das Team um Xiao Wu und Rachel C. Nerthery vom T.H. Chan Institute of Public Health verglich Luftqualität und Covid-19-Todesraten bis zum 4. April in etwa 3000 Landkreisen der USA miteinander.

Die Forscher kamen zu dem Ergebnis, dass schon ein extrem geringer Anstieg der Luftverschmutzung zu mehr Covid-19-Toten führt. „Wir haben herausgefunden, dass ein Anstieg von nur einem Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft mit einer 15 Prozent höheren Todesrate von Covid-19 zusammenhängt“, schreiben sie in der Studie. „Die Ergebnisse sind statistisch signifikant und robust.“

Für New York bedeutet das konkret, dass 250 Menschen weniger an Covid.19 gestorben wären, wenn die Luft in den vergangenen 20 Jahren nur ein Mikrogramm weniger Feinstaubpartikel pro Kubikmeter enthalten hätte.

Ein Braunkohlekraftwerk in Brandenburg.Foto: dpa/Patrick Pleul

Es war bereits bekannt, dass die Aussetzung von Feinstaub über einen langen Zeitraum hinweg zu einer erhöhten Todesrate führt. Laut den Forschern in Harvard ist diese Zunahme bei Covid-19-Todesfällen aber 20 mal höher.

Die Forscher beziehen sich in der Studie auf sehr feine Partikel mit einem maximalen Durchmesser von 2,5 Mikrometer. Sie können direkt in Bronchien und Lungenbläschen vordringen, die Atemwege angreifen und beispielsweise Asthma hervorrufen oder verstärken – was wiederrum zu einem erhöhten Risiko führt, schwer an Covid-19 zu erkranken.

Die Studie berücksichtigte eine Reihe von Faktoren, darunter Armut, Rauchen, Fettleibigkeit sowie die Anzahl der verfügbaren Covid-19-Tests und Krankenhausbetten. Es lässt sich dennoch nicht ausschließen, dass auch andere Faktoren als die Luftverschmutzung die Todesrate beeinflusst haben.

Die Studie wurde zur Begutachtung vorgelegt, aber bisher noch nicht in einem anerkannten Fachjournal veröffentlicht. Es sei die erste landesweite Untersuchung zum Zusammenhang zwischen der Luftqualität und dem Verlauf von Covid-19-Erkrankungen in den USA, schreiben die Wissenschaftler.

Die Wissenschaftler weisen darauf hin, dass die US-Umweltbehörde die Auflagen für die Industrie am 26.März gelockert hat. Kraftwerken, Fabriken und anderen Einrichtungen können nun selbst entscheiden, ob sie in der Lage sind, die legalen Verpflichtung zu Berichten über Luft- und Wasserverschmutzung zu leisten. Die Luftverschmutzung könnte in einigen Regionen also noch steigen.

Die Erkenntnisse der US-Forscher lassen sich auch auf Europa übertragen. So ist die Region in Norditalien, die lange das Epizentrum der Coronavirus-Epidemie war, eine der Regionen Europas mit der größten Luftverschmutzung. Die Lombardei, Venetien und die Emilia-Romagna bilden das wirtschaftliche und industrielle Zentrum Italiens. Viele der älteren Anwohner leiden in diesen Regionen bereits an Atemwegsbeschwerden.

Die Harvard-Studie liefert allerdings keinen Beleg dafür, dass schlechte Luftqualität das Risiko erhöht, sich mit dem neuartigen Coronavirus anzustecken und daran zu erkranken.

Mittwoch, 8. April: Ernährungsstudie mit Vitamin B3

Kann durch eine Einnahme von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln der Verlauf einer Covid-19-Erkrankung abgemildert werden? Das wollen die Forscher des Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in einer Studie herausfinden. Bundesweit sollen laut einer Mitteilung der Klinik rund 1300 ambulante Patientinnen und Patienten mit Sars-CoV-2-Infektion, bei denen leichte bis mittelschwere Symptome auftreten, in die Studie eingeschlossen werden.

Das Ziel ist es, durch die Einnahme von Vitamin B3 oder Kieselerde das Immunsystem zu stärken, den Krankheitsverlauf abzumildern und eine Beatmung auf der Intensivstation zu verhindern. Geleitet wird sie von Stefan Schreiber, Direktor der Klinik für Innere Medizin. Das Forscherteam geht davon aus, dass Mangelernährung ein wesentlicher Faktor für einen schweren Verlauf der Covid-19-Erkrankung ist.

Was bringen Nahrungsergänzungsmittel gegen eine Corona-Infektion?Foto: picture alliance / dpa/ Franziska Kraufmann

Die eine Hälfte der 1300 Studienteilnehmer bekommt das Vitamin B3, die andere das Spurenelement Kieselerde. Die Studienteilnehmer bekommen die Mittel kostenlos zugesandt. Es folgen drei Anrufe im Abstand von zwei Wochen und ein abschließender Kontakt nach sechs Monaten, in denen Fragen zum Krankheitsverlauf gestellt werden. Die Verläufe werden außerdem in einer Kontrollgruppe verglichen, die keine Präparate bekommt, sie erfolgt randomisiert und doppelblind.

Die Forscher des UKSH haben in den letzten zehn Jahren bereits herausgefunden, dass der Körper bei einem Angriff etwa von Sars- oder Grippeviren wichtige Aminosäuren wie Tryptophan abbaut. Dies veröffentlichten sie 2012 in dem Fachmagazin Nature. Dadurch können Entzündungen gefördert werden, da den Zellen lebenswichtige Energie entzogen wird.

In Folgestudien fanden die Forscher im Versuch mit Tieren heraus, dass Ernährungsinterventionen eine reparierende Wirkung für die Immunfunktion haben können und antientzündlich wirken. An Menschen wurde dies allerdings noch nicht erforscht.

Studienleiter Schreiber sagt im „Spiegel“-Interview, dass er frühestens in drei bis vier Monaten mit Ergebnissen rechne. „Wenn eins der Präparate die Immunabwehr im Fall einer Infektion nachweisbar so stärkt, dass Betroffene nicht ins Krankenhaus müssen, wäre das auch eine gute Nachricht für Indien, Afrika oder Lateinamerika“, so Schreiber. „Denn diese Mittel sind nicht teuer.“

Geheilte Covid-19-Patienten sind aufgerufen, Blut zu spenden.Foto: imago images/photo2000

Er warne allerdings davor, jetzt unkontrolliert Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen. Überdosen von Vitaminen könnten sogar Krankheiten wie Multiple Sklerose auslösen. Die Studienteilnehme seien aber keiner Gefahr ausgesetzt, sie bekommen pharmazeutisch geprüfte Mittel mit hoher Reinheit, die die empfohlene Tagesdosis nicht überschreiten.

Das UKSH sucht momentan noch nach Studienteilnehmern, die an Covid-19 erkrankt sind und Symptome wie Husten, Schnupfen oder Fieber haben. Sie können sich auf der Website der Studie registrieren.

Montag, 6. April: Forschung zu Antikörper-Therapien kommt voran

Bei der Suche nach Medikamenten zur Behandlung von Covid-19 liegen viele Hoffnungen auf menschlichem Blutplasma (siehe auch Eintrag vom 1. April). Die Hoffnung ist, dass mit dem Blut ehemals Infizierter, in dem sich Antikörper gegen das Virus gebildet haben, Patienten behandelt werden können, die schwer an Covid-19 erkrankt sind.

Das Universitätsklinikum Erlangen hat nun als eine der ersten Einrichtungen in Deutschland die behördliche Erlaubnis erhalten, therapeutisches Plasma herzustellen. Das gab das Uni-Klinikum am Sonntag auf seiner Webseite bekannt.

Die Transfusionsmedizin des Uni-Klinikums darf Covid-19-Immunplasma für schwerkranke Patienten herstellen und anwenden. „Aufgrund der äußerst positiven Resonanz auf unseren Spendenaufruf an ehemalige Corona-Patienten kann die Apherese-Plasma-Produktion ab sofort starten“, sagt Holger Hackstein, Leiter der Transfusionsmedizin, in der Pressemitteilung der Uniklinik. Mit der Apherese, umgangssprachlich auch Blutwäsche genannt, lassen sich die gebildeten Antikörper aus dem Blut gewinnen.

Welches Medikament hilft gegen Covid-19? (Symbolbild).Foto: imago images/Action Pictures

Zuvor hatte das Uni-Klinikum zu Blutspenden ehemaliger Covid-19-Patienten aufgerufen. Die Resonanz auf den Spendenaufruf sei enorm gewesen. Innerhalb von 24 Stunden hätten sich 200 Menschen gemeldet. Nun werde geprüft, ob sie für Blutspenden geeignet sind.

Die ehemaligen COVID-19-Patienten würden nun einzeln evaluiert. „Wichtig war, dass sie einen positiven Coronavirustest zu Beginn und möglichst zwei negative Tests am Ende der Erkrankung nachweisen konnten. Die Blutplasmaspende dauert ungefähr 45 Minuten und ist für die Spender nicht belastender als eine normale Blutspende“, erklärt Hackstein.

Hackstein erhofft sich, dass durch das Covid-19-Immunplasma eine Abschwächung lebensbedrohlicher Verläufe der Krankheit möglich ist. Das zeigen auch erste Beobachtungen beispielsweise aus China, es bedarf aber kontrollierter Studien.

Heute meldet auch der Pharmakonzern Biotest, dass er an einem Medikament für Corona-Patienten auf Basis von menschlichem Blutplasma arbeitet. Das Unternehmen in Dreieich nahe Frankfurt teilte mit, dass man dabei sei, so schnell wie möglich Plasma von genesenen Spendern zu sammeln und einen neuen Test für die Proben zu entwickeln. Die Spenden mit den meisten Antikörpern könnten dann in einem Pool zu einem neuen „Hyperimmunglobulin“ gegen die Lungenkrankheit verarbeitet und bei schweren Verläufen eingesetzt werden.

Biotest ist auf die Entwicklung von Arzneien aus Blutplasma-Spenden spezialisiert. Das neue Corona-Medikament, das noch in diesem Jahr eingesetzt werden soll, habe laut dem Unternehmen das Potenzial, bei Personen mit schwerwiegendem COVID-19-Verlauf „wirksam zu helfen“. Biotest kooperiere dafür mit Branchenunternehmen weltweit. Das Unternehmen ruft geheilte Covid-19-Patienten dazu auf, weiterhin Blutplasma zu spenden.

Freitag, 3. April: Jens Spahn macht Hoffnung – was bringt das Medikament Resochin?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich positiv über das Malaria-Medikament Resochin geäußert. „Es gibt erste Hinweise, dass bestimmte Medikamente zu helfen scheinen“, sagte der Politiker der „Bild“-Zeitung am Freitag. Darunter sei auch das von Bayer produzierte Resochin. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Medikament.

Wie wirkt Resochin?

Der Wirkstoff in Resochin heißt Chloroquin. Er wurde bisher vor allem gegen Malaria und Autoimmunkrankheiten wie Lupus eingesetzt. Resochin wurde in den 30er Jahren entwickelt, Bayer stellte die Produktion 2019 ein. Nun wird sie wegen der Coronakrise aber wieder hochgefahren.

Bereits seit der SARS-Epidemie 2003 ist bekannt, dass Chloroquin gegen das erste SARS-Coronavirus in Zellkultur wirkt, genau wie gegen viele andere Viren. Während der SARS-Epidemie hat man den Wirkstoff aber nicht an Patienten probiert, da der Befund erst nach der Epidemie aufkam.

Das Medikament soll nun gegen das neuartige Coronavirus SARS-CoV-2 eingesetzt werden. Man habe in in vitro Studien an Zellkulturen in China feststellen können, dass durch Resochin die Vermehrung des Virus gehemmt wird, sagt Martin Springsklee, der Leiter für Anti-Infektiva bei Bayer auf der Webseite des Unternehmens. „Der Wirkmechanismus ist nicht vollständig aufgeklärt, aber es wird angenommen, dass durch Resochin sowohl der ph-Wert in den Zellen erhöht wird als auch die Andockstellen des Virus verändert werden, womit dem Erreger erschwert wird, die Epithelzellen der Atemwege zu infizieren.“

Ein Sprecher von Bayer betont gegenüber dem Tagesspiegel, dass derzeit noch keine von Experten überprüfte, publizierte klinischen Daten zur Wirksamkeit von Resochin verfügbar seien.

Wie weit ist die Forschung in Deutschland?

In Deutschland führt das Uniklinikum Tübingen die erste Studie zu dem mit Chloroquin verwandtem Wirkstoff Hydroxychloroquin durch. In in vitro Studien hätte Hydroxychloroquin bessere Wirkungen erzielt als Chloroquin, weshalb man sich für diesen Wirkstoff entschieden habe, sagte der Direktor des Instituts für Tropenmedizin der Uniklinik Tübingen und Studienleiter Peter Kremsner dem Tagesspiegel.

Mit 220 hospitalisierten Patienten wird nun seit einer Woche in Tübingen, Hamburg und Stuttgart die Studie durchgeführt, später soll sie auch auf ambulante Patienten und mehrere Orte ausgeweitet werden. Die Studie ist placebokontrolliert, 110 Patienten erhalten das Placebo. Außerdem ist sie randomisiert, also mit willkürlich ausgewählten Patienten und doppelblind: weder Untersucher noch Untersuchte wissen, wer das Placebo erhält und wer das Medikament.

„Wir wollen herausfinden, wie schnell und gut die Viruselimination in der Hydroxychloroquin-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe funktioniert und ob das Medikament Krankheitsdauer und Prognose verbessern kann“, sagt Kremsner. Erste Ergebnisse seien frühestens in drei Wochen zu erwarten. „Es ist vielleicht der beste Kandidat, den wir im Moment haben“, sagt Kremsner über Hydroxychloroquin. „Aber wir wissen nicht, was der Ausgang der Studie sein wird.“

Wo werden die Malaria-Medikamente bereits eingesetzt?
In China, Italien und Frankreich werden Chloroquin und Hydroxychloroquin bereits unkontrolliert eingesetzt, teilweise geschieht dies auch in den USA. Da die Malaria-Medikamente bereits zugelassen sind, können Ärzte mit ihnen experimentieren. Eine Indikation für den Einsatz gegen Covid-19 gibt es aber nicht.

Was ist die Kritik am Einsatz dieser Medikamente?

Kremsner kritisierte den unkontrollierten Einsatz der Medikamente scharf. „Ich gebe das keinem Patienten und würde es auch selbst nicht nehmen“, sagt der Mediziner. Die unkontrollierte Behandlung in Wechselwirkung mit andere Medikamenten könne beispielsweise das Herz belasten und zum Tode führen. Dies sei auch schon passiert, so Kremsner. „Der Schaden ist vorprogrammiert.“

In Bezug auf Jens Spahns Äußerungen warnte Kremsner vor verfrühtem Optimismus. „Wir sollten nicht den Fehler machen, den Trump gemacht hat“. Am 21. März twitterte US-Präsident Donald Trump, Hydroxychloroquin sei in Verbindung mit Azithromycin ein „game changer“, also ein riesiger Durchbruch der Medizingeschichte sei (siehe Beitrag vom 24.3.). Angeblich hätte die US-Arzneimittelbehörde FDA das Medikament schon zugelassen – das entpuppte sich aber später als Falschmeldung.

Weltweit arbeiten Forscher an Antivirustests (Symbolbild.)Foto: imago images/Xinhua

Bisher seien die Studien etwa in China oder Frankreich überstürzt durchgeführt worden, es handele sich eher um Beobachtungen. „Das ist nicht wissenschaftlich, was im Moment läuft“, so Kremsner. „Die placebokontrollierte, randomisierte Doppelblindstudie ist die Königsdisziplin der klinischen Forschung“, sagt Kremsner. Dies sei sehr aufwändig, würde jetzt aber durchgeführt. Man müsse nun auf die Ergebnisse warten. „Wir können heute nicht sagen, dass irgendein Medikament auf dieser Welt gegen Covid-19 wirkt“, so der Mediziner.

Auch der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus und der Charité-Virologe Christian Drosten hatten den unkontrollierten Einsatz von Therepautika kritisiert. Die WHO fordere „Einzelpersonen und Länder auf, keine Therapeutika zu verwenden, von denen nicht nachgewiesen wurde, dass sie bei der Behandlung von Covid-19 wirksam sind,“ sagte Ghebreyesus Ende März. Die Geschichte der Medizin sei „übersät mit Beispielen von Medikamenten, die auf Papier oder in einem Reagenzglas wirkten, aber beim Menschen nicht wirkten oder tatsächlich schädlich waren“.

Donnerstag, 2. April: Wann kommen flächendeckende Antikörpertests?

Um die Corona-Maßnahmen lockern zu können, bedarf es umfangreicher Tests. In aller Munde sind dabei Antikörpertests, mit denen schnell nachgewiesen werden kann, ob eine Person bereits mit dem Virus infiziert war und jetzt immun ist. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Test.

Wie funktionieren Antikörpertests und warum brauchen wir sie?

Wer sich mit dem Coronavirus infiziert, braucht etwa zehn Tage, bis im Blut erste Antikörper gebildet werden. Zwei oder drei Wochen nach der Infektion hat man deutliche Antikörper im Blut. Anhand einer Blutprobe lässt sich das messen. Diese Antikörpertests nennen sich ELISA-Tests, auf Deutsch heißen sie Enzym-Immuno-Tests.

Der Vorteil dieser Tests: Antikörper lassen sich im Blut nachweisen, auch wenn der Infizierte keinerlei Anzeichen der Infektion gespürt hat. Die Antikörper bleiben auch im Körper, wenn die Erkrankung bereits abgeklungen ist. Es ließen sich mit einem solchen Test also Menschen identifizieren, die bereits infiziert waren und jetzt immun gegen das Virus sind. Sie könnten wieder zur Arbeit gehen. Solche Tests wären also insbesondere für Klinik- und Pflegepersonal extrem wichtig.

Was ist der Unterschied zu den bisherigen Tests?

Bisher werden hauptsächlich sogenannte PCR-Test angewandt, um Menschen auf das neuartige Coronavirus SARS Cov-2 zu testen. PCR steht für Polymerase-Kettenreaktion. Bei diesem Test wird zunächst ein Rachenabstrich des Patienten genommen. Im Labor wird die Erbinformation des Virus abgeschrieben und dabei vervielfältigt und eine Farbreaktion erzeugt.

Vorteil dieses Tests ist die sehr hohe Genauigkeit, harmlose Coronaviren werden nicht mit angezeigt. Zu den Nachteilen gehört, dass der Test mehrere Stunden dauert, dazu kommt der Transportweg. Außerdem ist das Virus nur in der ersten Woche der Erkrankung zuverlässig nachweisbar, da in der zweiten Woche Viren vom Rachen in die Lunge wandern.

Wie weit ist die Forschung? Wann gibt es flächendeckende Antikörpertests?

Um Massen an Menschen testen zu können, benötigt es einen automatisierten ELISA-Test, an dessen Entwicklung weltweit unter Hochdruck geforscht wird. Der Charité-Chefvirologe Christian Drosten sagte im NDR-Podcast, dass er es in zwei bis drei Monaten für denkbar halte, automatisierte Antikörpertests zu haben. Derzeit sei es bereits möglich, händisch im Labor Blutproben auf Antikörper zu untersuchen, dies sei aber ein sehr hoher Aufwand.

In New York City wurde bereits ein erster ELISA-Test vorgestellt, jetzt hat auch eine Lübecker Firma angekündigt, einen entsprechenden Antikörpertest auf den Markt zu bringen. Das Unternehmen Euroimmun hat nach eigenen Angaben die erforderliche CE-Kennzeichnung bekommen und darf den Test auf den Markt bringen. Das Berliner Pharmaunternehmen PharmACT hat vor Kurzem eine Notfall-Zulassung der US-Arzneimittelbehörde FDA für einen Schnelltest auf Sars-CoV-2-Antikörper erhalten.

An einem Antikörpertest arbeitet auch ein internationales Konsortium aus Biotechnologie-Unternehmen und Forschern, etwa des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. In sechs bis acht Wochen wollen sie einen Prototyp vorliegen haben, der dann in der Praxis getestet werden kann, wie Konsortiumssprecher Thomas Huber der Nachrichtenagentur dpa erläutert. Der Test basiert auf einem Mikrochip, der in ein Lesegerät gesteckt wird und in wenigen Minuten ein Ja/Nein-Ergebnis liefert. In einer späteren Version könnte der Chip das Testergebnis direkt an ein Smartphone schicken. Er soll dann auch für Heimtests angeboten werden.

Ein Problem von Antikörpertests ist, dass sie gelegentlich ungenau sind und positiv ausfallen, wenn im Blut Antikörper gegen harmlose Coronaviren gebildet wurden. Außerdem sind sie kein Ersatz für PCR-Tests, da sie lediglich zeigen, ob die Testperson in der Vergangenheit den Virus in sich trug, nicht, ob er gerade infektiös ist.

Wie der „Spiegel“ berichtete, soll in Deutschland eine große Studie geplant sein, die untersuchen soll, wie viele Menschen bereits gegen Covid-19 immun sind. Beteiligt seien unter anderem das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, das Robert Koch-Institut und die Berliner Charité. Nach „Spiegel“-Informationen soll ab April das Blut von mehr als 100.000 Probanden auf Antikörper untersucht werden.

Aus Belgien meldet die dpa heute, dass Blutuntersuchungen größeren Ausmaßes Erkenntnisse zur Ausbreitung des Coronavirus in der Bevölkerung liefern sollen. Das Rote Kreuz und die Gesundheitsbehörden vereinbarten eine großangelegte Testaktion auf Antikörper. Ähnliche Untersuchungen hätten an der Universität Antwerpen und in den Niederlanden begonnen. Das Rote Kreuz solle alle zwei Wochen 3000 Blutproben für die Untersuchung bereitstellen.

Mittwoch, 1. April: Sind Antikörper-Therapien auch beim Coronavirus hilfreich?

Weltweit forschen Experten gerade daran, ob Antikörper aus dem Blut von Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren und genesen sind, anderen Erkrankten helfen können. Die Antikörper gegen das Virus sollten sich im Blutplasma befinden. Es wäre möglich, dieses Plasma Erkrankten zu injizieren. Die Antikörper könnten dann, wenn sie in ausreichender Zahl vorhanden sind, eine entsprechende Zahl Viren neutralisieren. Wenn die Behandlung rechtzeitig erfolgt, könnte das Symptome lindern und dem Immunsystem der Erkrankten mehr Zeit verschaffen, selbst Abwehrmoleküle zu bilden.

Eine solche Behandlung war bereits bei anderen Epidemien erfolgreich. Bei der Spanischen Grippe, die von 1918 bis 1920 wütete, konnte die Therapie die Sterblichkeit um ein Fünftel senken, auch bei der Masern-Epidemie in den 1930er Jahren in den USA hat man den kranken Kindern Blutplasma von genesenen Personen als Therapiemaßnahme gespritzt. Ist eine derartige Therapie auch beim Coronavirus erfolgversprechend?

Chinesische Wissenschaftler haben nach eigenen Angaben mehrere Antikörper identifiziert, die für ein Medikament zur Behandlung von Covid-19 infrage kommen könnten. Die aus dem Blut genesener Patienten isolierten Antikörper könnten „äußerst wirksam“ die Fähigkeit des neuartigen Coronavirus zum Eindringen in Zellen blockieren, sagt Zhang Linqi von der Tsinghua-Universität in Peking.

Auch eine Studie aus China, die im Fachmagazin „Jama“ veröffentlicht wurde, macht Hoffnung. Chinesische Ärzte beschreiben dort, wie sie in Shenzen fünf Covid-19-Patienten mit Spenderblut therapierten. Die Erkrankten waren zwischen 36 und 65 Jahre alt und mussten künstlich beatmet werden. Die Ärzte führen auf, dass die Transfusion mit Blutplasma zu einer deutlichen Verbesserung des gesundheitlichen Zustands der Patienten führte.

Innerhalb von drei Tagen normalisierte sich ihre Körpertemperatur, auch die Lungenfunktion verbesserte sich. Innerhalb von zwölf Tagen konnten keine Coronaviren mehr bei den Patienten nachgewiesen werden. Inzwischen haben drei das Krankenhaus verlassen, zwei weitere sind stabil. Die Ärzte schließen darauf, dass Antikörper helfen könnten, um schwer an Covid-19-Erkrankte zu behandeln.

Aufgrund der sehr geringen Anzahl von Patienten lassen sich aus der Studie noch keine Schlüsse ziehen, unabhängige Experten aus der USA bewerten sie aber als ersten Erfolg. In Deutschland ist die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) führend in der Antikörper-Forschung. Hunderte Menschen folgten einem Aufruf der Hochschule, für die Forschung But zu spenden.

Auch Friedrich Merz, der sich um den CDU-Parteivorsitz bewirbt, will mithelfen. Der mit dem Coronavirus infizierte Politiker twittere, dass er sich mit der Uniklinik Münster verbinden wolle, um Blut zu spenden.

Antikörper im Blut von Genesenen als Heilung?Foto: dpa/Kay Nietfeld

Dienstag, 31. März: Das Zehn-Tage-Ziel – wie schnell verdoppeln sich die Neuinfektionen?

Noch sind keine Lockerungen der Coronavirus-Maßnahmen in Deutschland in Sicht. Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte im Tagesspiegel-Interview, dass die Maßnahmen bis 19. April verlängert würden. Ähnlich äußerte sich die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrem Podcast vom Wochenende. Dort nannte sie auch eine entscheidende Zahl: Die Verdopplungszeit bei Neuinfektionen müsse „in Richtung zehn Tage“ gehen. Was hat es mit dieser Zahl auf sich und wie weit ist Deutschland von ihr entfernt?

Die Verdopplungszeit benennt die Anzahl der Tage, in denen sich die Neuinfektionen mit dem Coronavirus verdoppeln. Warum Merkel genau zehn Tage Verdopplungszeit als Vorgabe setzt, ist unklar. Vermutlich hängt diese Zahl mit Berechnungen zu den Kapazitäten der Intensivstationen in Deutschland zusammen. Grundsätzlich gilt: Je länger die Verdopplungszeit ist, desto besser für die Krankenhäuser.

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Ohne Maßnahmen, bei einem unbegrenzten, exponentiell steigendem Wachstum der Fallzahlen würde das Gesundheitssystem kollabieren, auch wenn nur wenige der mit Covid-19-Infizierten eine Behandlung auf der Intensivstation benötigen. Das zeigen die Entwicklungen in Italien und Spanien. Dort mussten Ärzte das Triage-Verfahren anwenden, also anhand von mehreren Kriterien entscheiden, wer eine lebensrettende Behandlung erhält und wer nicht.

Deutschland hat derzeit noch Kapazitäten auf Intensivstationen für Coronavirus-Patienten, wie das neugeschaffene DIVI-Intensivregister zeigt. Der Charité-Chefvirologe Christian Drosten und andere Experten kündigen aber eine Zunahme der Fallsterblichkeit und damit auch der nötigen Behandlungen auf Intensivstationen an. Experten schätzen, dass eine durchschnittliche Behandlung für Covid-19 auf der Intensivstation etwa zehn Tage dauert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).Foto: dpa/Michael Kappeler

Um die Epidemie dauerhaft in Schach zu halten, muss die Verdopplungszahl deutlich weiter ansteigen als zehn Tage. In China und Südkorea liegt sie nach der Johns-Hopkins-Universität bereits bei über 20 Tagen, dort gilt die Epidemie weitgehend eingedämmt.

Zu Beginn des Coronavirus-Ausbruchs lag die Verdopplungszeit in Deutschland noch bei etwa zwei Tagen, inzwischen beträgt sie nach Berechnungen der „Süddeutschen Zeitung“ 5,9 Tage. Obwohl sich die Verdopplungszeit in den letzten Wochen also deutlich verlängert hat, ist sie noch weit entfernt von Merkels Zehn-Tage-Vorgabe. Die Berechnung der SZ basieren auf den Zahlen der Johns-Hopkins-Universität in den USA, die etwas abweichen von den Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI). Auch die Verdopplungszeit schwankt je nach den Zahlen, auf denen die Berechnungen basieren.

Berechnungen des Tagesspiegels zeigen, wie hoch die Verdopplungsrate in den einzelnen Bundesländern ist. Die Berechnungen basieren auf Zahlen der Firma Risklayer und dem Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology des KTI, die diese von den Webseiten der Kreisämter sammeln. Bremen ist hier Spitzenreiter mit einer Verdopplungszeit von zehn Tagen, am schnellsten verdoppeln sich die Fallzahlen in Bayern, mit sechs Tagen. Auch in NRW und Mecklenburg-Vorpommern beträgt die Verdopplungszeit vergleichsweise langsame neun Tage.

In Berlin liegt die Verdopplungszeit bei sieben Tagen, die Zahl der Infizierten ist in dieser Berechnung an diesem Dienstag 2,1 mal höher als am 24. März. Recherchen des RBB, die auf Zahlen der Berliner Senats basieren, haben eine Verdopplungszeit von 5,4 Tagen für Berlin ergeben.

Festzuhalten ist, dass die Verdopplungszeit in allen Bundesländern derzeit deutlich steigt. Die Maßnahmen der letzten Wochen scheinen also Wirkung zu zeigen. Allerdings ist es auch wahrscheinlich, dass die Dunkelziffer der mit der mit dem Coronavirus Infizierten höher liegt als die offiziellen Zahlen. Wie lange es noch dauert, bis eine Verdopplungszeit von zehn Tagen erreicht ist, ist also derzeit nur schwer vorherzusagen.

Montag, 30. März: Covid-19 ist gefährlicher als die Grippe

Als die Covid-19-Pandemie begann zogen viele Vergleiche zur herkömmlichen Grippe, die angeblich gefährlicher sei als das neuartige Coronavirus. Die aktuellen Zahlen zeigen, dass dem nicht so ist. In Deutschland gibt es derzeit 62.888 bestätigte Coronavirus-Infektionen, 537 Menschen sind bisher an Covid-19 gestorben. Wie der Grippe-Monitor der Funke Mediengruppe zeigt, sind in der aktuellen Grippesaison in Deutschland 165.036 bestätigte Fälle gemeldet.

Die Grippesaison geht vom 30.9.2019 bis zum 17.5.2020. Gestorben sind seit Beginn der Saison insgesamt 265 Menschen, also deutlich weniger als an Covid-19. Es erkranken allerdings deutlich mehr Menschen an Influenza als Fälle bestätigt werden. Die gemeldeten Fallzahlen erfassen nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) nur einen Bruchteil der an Influenza erkrankten und gestorbenen Personen. Die Schätzungen des RKI sind daher deutlich höher als die Zahlen, die der Grippe-Monitor verwendet. Allerdings ist auch die Dunkelziffer der Infektionen mit dem Coronavirus möglicherweise hoch.

Für Aufsehen sorgte in den vergangenen Tagen die Schätzung des RKIs, dass 25.000 Menschen an der Grippe in der Saison 2017/18 verstorben seien. Diese Zahl wird genutzt, um die Grippe als gefährlicher als das Coronavirus darzustellen. Die Zahl des RKI ist allerdings nur eine Schätzung. Zudem ist sie im Vergleich mit anderen Jahren außergewöhnlich hoch. Die Zahlen der Influenza-Toten bei einzelnen Grippewellen können laut RKI stark schwanken, von mehreren hundert bis über 20.000.

Ärzte testen in Fürstenwalde auf das Coronavirus.Foto: dpa/Patrick Pleul

RKI-Chef Lothar Wieler hatte davor gewarnt, die Gefährlichkeit von Corona mit derjenigen der Grippe zu vergleichen. Auch die Grippe sei gefährlich, die sogenannte Krankheitslast des neuartigen Erregers aber viel höher. Corona übertrage sich viel leichter und führe insbesondere in den Risikogruppen zu sehr viel mehr schweren Verläufen und Todesfällen.

Der Grippe-Monitor zeigt, dass die gemeldeten Grippe-Fälle zuletzt deutlich gesunken sind. Das könnte mit dem sonnigen Wetter zusammenhängen, aber auch mit der Kontaktsperre, die in Deutschland wegen der Corona-Pandemie verhängt worden ist.

Freitag, 27. März: Antikörperstudie soll Covid-19-Immunität feststellen

In Deutschland ist gerade eine große Studie zur Immunität nach einer überstandenen Infektion mit dem Coronavirus in Planung, wie der Spiegel berichtete.  In der Studie sollen mehr als 100.000 Probanden auf Antikörper gegen Covid-19-Erreger untersucht werden. Die Tests sollen dann regelmäßig wiederholt werden, um den Verlauf der Pandemie zu überwachen. 

Noch ist die Studie nicht bewilligt, doch die Forscher hoffen, ab April starten zu können.  Koordinieren soll die Studie der Epidemiologe Gérard Krause vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Das Deutsche Zentrum für Infektionsforschung, das Robert Koch-Institut, und das Institut für Virologie der Berliner Charité sind neben anderen ebenfalls beteiligt.

 

Die Wissenschaftler wollen so herausfinden, wie weit sich das Coronavirus tatsächlich schon ausgebreitet hat und wie viele Infizierte an den Folgen einer Ansteckung sterben. Die Ergebnisse könnten etwa Politikern die Entscheidung erleichtern, wann Schulen wieder öffnen können. Wer immun ist, könnte dann zum Beispiel „von den Einschränkungen ihrer Tätigkeit ausgenommen werden“, sagt der Epidemiologe Krause dem Spiegel. 

Doch: Bis die Forscher ein genaues Testverfahren haben, könnte es noch zwei bis drei Monate dauern. Die derzeit verfügbaren Tests schlagen manchmal auch bei harmlosen Coronaviren an. Gegen die tragen aber circa 90 Prozent der Erwachsenen Antikörper in sich. Ist ein genaueres Testen möglich, ließe sich verlässlicher ermitteln, ob jemand andere Menschen mit dem Coronavirus anstecken kann oder nicht. 

Donnerstag, 26. März: Warum es in Deutschland bisher so wenige Corona-Tote gibt

Während in Italien jeder zehnte Infizierte an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung stirbt, gibt es in Deutschland im Vergleich nur wenig Menschen, die an dem neuartigen Virus sterben. Das sei „hinreichend damit zu erklären, dass wir extrem viel Labordiagnostik machen“, sagte der Virologe Christian Drosten am Donnerstag in Berlin. 

Schätzungsweise würden hierzulande jede Woche eine halbe Million Tests durchgeführt. Dadurch würden auch einige Fälle in die Statistik mit aufgenommen, die nur milde Symptome zeigen – das drücke die Sterberate. In einem Interview mit der Zeit sagte Drosten, er gehe davon aus, dass auch in Italien deutlich mehr junge Menschen mit dem Virus infiziert seien, aber eben keine oder kaum Symptome zeigen. Die werden dann häufig nicht als Corona-Infizierte erkannt – verstorbene ältere Personen mit schwerem Krankheitsverlauf dagegen schon (mehr dazu unten).

Aktuell gibt es in Italien mehr ältere Infizierte, wie die Zeit berichtete. Mehr als ein Drittel sei über 70. Der „überwiegende Großteil“ der Infizierten in Deutschland ist dagegen jünger als 60, sagte Lothar Wieler vom Robert Koch-Institut. Das liegt zum einen an den vielen Tests, die Deutschland durchführt. Es könnte laut Zeit aber auch daran liegen, dass sich etwa im Skiurlaub vermutlich vor allem jüngere Deutsche ansteckten.

Darüber hinaus hat Deutschland die bessere Ausstattung um schwerkranke Patienten zu behandeln – es gibt in Deutschland 28.000 Intensivbetten. Zum Vergleich: In Italien sind es nur 5000 – bei gut 60 Millionen Einwohnern. In Deutschland müssen Ärzte noch nicht entscheiden, wen sie behandeln.  

Wiederholt warnten Experten jedoch: Die Sterberate wird auch in Deutschland noch steigen. „Die Zahl der Toten ist immer ein Abbild dessen, was vor einiger Zeit passiert ist“, sagte die Epidemiologin Berit Lange der Zeit. Um die Anzahl der Opfer des Coronavirus in den beiden Ländern wirklich vergleich zu können, müssten wir demnach noch einige Tage abwarten.