Der Mann, den das iranische Staatsfernsehen am Montag zeigt, trägt eine schlichte olivgrüne Uniform, er weint, kniet sich nieder – und küsst den vor ihm aufgebarten Sarg, in dem die Leichenteile von Qasem Soleimani liegen.
Wie Millionen Iraner nahm er Abschied vom Topgeneral der Quds-Brigade, den die USA am Freitag gezielt getötet haben. „Gott, der Allmächtige, hat versprochen, dass er seine Rache bekommen wird“, sagte er am Tag der Trauerfeier in Teheran. Der Name des Brigadegenerals: Ismail Ghaani.
Ismail Ghaani trauert um Qasem Soleimani
Foto: Official Khamenei website / REUTERS
Das Regime hat ihn keine 24 Stunden nach der Tötung Soleimanis zum neuen Chef der Quds-Brigade ernannt. Bislang war er der zweite Mann der Eliteeinheit. Die Botschaft hinter dieser raschen Entscheidung – die Islamische Republik, und vor allem die auf Auslandseinsätze spezialisierte Eliteeinheit, werden den von Soleimani eingeschlagenen Kurs weiterverfolgen:
- Die Quds-Brigade soll die Schiiten-Milizen im asymmetrischen Kampf um die Vorherrschaft in der muslimischen Welt koordinieren,
- die Vormachtstellung der USA im Nahen Osten aktiv mit Anschlägen und Angriffen bekämpfen,
- und – als langfristiges Ziel – den Staat Israel zerstören.
Iran hat in den vergangenen Jahren seine Konflikte in der Region vor allem mithilfe militanter Schiiten-Gruppen geführt, unter anderem der libanesischen Hisbollah-Miliz. Nun hat das Regime offenbar eine neue Strategie ausgerufen: Wie die „New York Times“ berichtet, sollen es die iranischen Streitkräfte sein, die den Tod Soleimanis rächen – und keine Stellvertretergruppen.
„Kennt sich besser mit Excel-Tabellen als mit spirituellen Bedürfnissen aus“
Wie, wann und wo Iran zuschlägt, ist derzeit völlig offen. Klar ist nur: Ghaani wird eine zentrale Rolle innehaben bei den Vergeltungsaktionen für seinen getöteten Ex-Chef, der bereits zu Lebzeiten für viele regimetreue Iraner ein Held war.
„Soleimani war ein charismatischer Anführer, fast schon ein mystischer Tempelritter der Neuzeit“, sagt Ali Alfoneh, Senior Fellow am Arab Gulf States Institute in Washington, dem SPIEGEL.
Soleimanis Mythos ist nun, da er tot ist, noch größer geworden. Hunderttausende Menschen kamen in den vergangenen Tagen zu Trauerzeremonien im Irak und in Iran. Bei der Beisetzung in seiner Heimatstadt Kerman am Dienstag war der Andrang sogar so groß, dass Dutzende Menschen bei einer Massenpanik ums Leben kamen.
Ghaani hingegen sei bislang als Mann der Institutionen in Erscheinung getreten, „der sich besser mit Excel-Tabellen auskennt als mit den spirituellen Bedürfnissen von Soldaten“, sagt Alfoneh. Er glaubt nicht, dass Ghaani ein zweiter Soleimani wird.
„Wir sind Kinder des Kriegs“
An Kampferfahrung mangelt es Ghaani, vor 61 oder 62 Jahren in der Stadt Maschhad geboren, aber nicht: Er trat Anfang der Achtzigerjahre in die mächtige Revolutionsgarde ein, kämpfte gegen die kurdische Minderheit im eigenen Land und im Ersten Golfkrieg gegen die Truppen des irakischen Diktators Saddam Hussein. Acht Jahre lang dauerte der Waffengang, eine Million Menschen kostete er das Leben.
An der Front lernte er auch den jungen Soleimani kennen. „Wir sind Kinder des Kriegs“, sagte Ghaani der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA. „Wir wurden auf dem Schlachtfeld Kameraden und im Kampf Freunde.“ Als Soleimani Ende der Neunzigerjahre zum Kommandeur der Quds-Brigade ernannt wurde, machte auch Ghaani Karriere. Er wurde sein Stellvertreter.
Aktiv von Afghanistan bis Westafrika
Während Soleimani sich mit den Jahren zum Gesicht der Truppe entwickelte, vor allem durch seine Präsenz im syrischen Bürgerkrieg auch im Westen bekannt wurde, avancierte sein Vize zum Technokraten des Terrors:
- Er war verantwortlich für die Bürokratie der Brigade,
- koordinierte vermutlich Einsätze in den östlichen Anrainerstaaten Afghanistan und Pakistan.
- Zudem wird er beschuldigt, für iranischen Waffenschmuggel in Westafrika verantwortlich gewesen zu sein.
Die USA haben ihn bereits seit 2012 mit Sanktionen belegt. Nun werden sie den Mann mit der randlosen Brille und den welligen grauen Haaren noch genauer beobachten – und versuchen, seine Rachepläne zu vereiteln.