/Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring: „Ramelow kneift“

Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring: „Ramelow kneift“

Donnerstag, 17.10.2019  
17:30 Uhr

SPIEGEL: Sie wollen Ministerpräsident von Thüringen werden, haben aber nur mit viel politischer Fantasie eine Machtperspektive. Wie wollen Sie das binnen weniger Tage noch ändern?

Mohring: Rot-Rot-Grün hat aktuell in den Umfragen keine Mehrheit.

SPIEGEL: Rot-Rot-Grün ist näher an einer Mehrheit als die von Ihnen gewünschte CDU-Allparteien-Konstellation mit SPD, Grünen und dem Wackelkandidaten FDP.

Mohring: Umfragen sind keine Wahlergebnisse.

Zur Person

  • imago images/ Müller-Stauffenberg

    Mike Mohring, Jahrgang 1971, ist Parteichef und Vorsitzender der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag sowie seit Dezember vergangenen Jahres Mitglied im CDU-Bundespräsidium. In die Landtagswahl am 27. Oktober geht er als Spitzenkandidat der Thüringer Christdemokraten. Mohring hat eine Krebserkrankung überwunden, die er Anfang Januar mit einem selbstgedrehten Video öffentlich gemacht hatte.

SPIEGEL: Das sagen Politiker gerne, wenn die Umfragen nicht passen.

Mohring: Die Thüringer bestimmen in einer freien und geheimen Wahl über die künftigen Mehrheitsverhältnisse. Das haben wir vor 30 Jahren in der friedlichen Revolution erkämpft, dafür bin ich damals auf die Straße gegangen. Die Thüringer wissen, was jetzt auf dem Spiel steht. Die Linke und die AfD wollen ein anderes Land, wir wollen eine bessere Politik.

SPIEGEL: Was steht auf dem Spiel?

Mohring: Wir haben gegenüber dem Westen noch viel aufzuholen im nächsten Jahrzehnt, der Solidarpakt läuft in wenigen Monaten aus, das EU-Budget ab 2021 ist noch nicht verhandelt. Das ist wichtig. Für uns hängt viel an der Agrar- und Regionalförderung, damit sich die Schere zwischen Ost und West schließt. Dafür brauchen wir aber eine stabile Landesregierung, die sich in Berlin und Brüssel durchsetzt.

SPIEGEL: Warum kommt Bodo Ramelow bislang besser an als Sie?

Mohring: Es gibt keine Konstellation in Deutschland, wo der Oppositionsführer höhere Zustimmungswerte hat als der Amtsinhaber. Das ist nun mal so. Die Zufriedenheitswerte der Thüringer mit mir haben sich in den letzten Monaten mehr als verdoppelt.

SPIEGEL: Sie liegen bei rund 40, Ramelow bei über 60 Prozent. Und die CDU erreicht in Umfragen nur etwas mehr als 20 Prozent.

Mohring: Meine Bekanntheitswerte haben sich laut dem Meinungsforschungsinstituts Insa auf 89 Prozent gesteigert. Das wird uns helfen. Parteiwerte und Persönlichkeitswerte liegen auch in anderen Fällen oft weit auseinander.

SPIEGEL: Woran liegt das?

Mohring: Es fehlt Rückenwind aus Berlin.


Mike Mohring im Gespräch: "Es fehlt Rückenwind aus Berlin"


Marcel Maffei/ DER SPIEGEL

Mike Mohring im Gespräch: „Es fehlt Rückenwind aus Berlin“

SPIEGEL: Konkreter?

Mohring: Seit Monaten kämpfe ich für die Grundrente, die steht im Berliner Koalitionsvertrag. Das ist ein wichtiges Thema für die CDU und die Ostdeutschen: Wie geht man mit Menschen um, die ein Leben lang gearbeitet haben und trotzdem weniger zur Verfügung haben als in der Grundsicherung? Wenn wir wollen, dass die Bürger wieder Vertrauen haben in politisches Handeln, vor allem Vertrauen in die Große Koalition, dann müssen wir das erfüllen, was wir zugesagt haben. Ich setze darauf, dass die Koalition sich einigen wird. Wir sind uns ein gutes Stück näher gekommen.

SPIEGEL: Die Bremser bei der Grundrente sitzen aber doch in Ihren eigenen Reihen.

Mohring: Die SPD wollte mit ihrem Konzept jeden Rentner mit der Grundrente beglücken, egal ob er oder sie es braucht oder nicht. Wir dagegen wollen eine zielgenaue Lösung, um den Bedürftigsten zu helfen. Wenn wir uns nicht mit der SPD verständigen könnten, dann gäbe es zwei Gewinner: AfD und Linke. Daran können weder CDU und CSU noch die SPD ein Interesse haben.

SPIEGEL: Ramelow ist Westdeutscher, Sie sind gebürtiger Thüringer. Macht das 30 Jahre nach der Wiedervereinigung noch einen Unterschied?

Mohring: Natürlich. Ramelow und seine Linkspartei sind zum Beispiel noch immer nicht bereit, die DDR einen Unrechtsstaat zu nennen. Genau das war sie aber. Ramelow hatte das Glück, in Freiheit und Demokratie auf der anderen Seite der Mauer zu leben. Und jetzt will er den Thüringern erzählen, sie hätten damals nicht in einem Unrechtsstaat gelebt. Das finde ich mindestens unschicklich. Wer mit der Vergangenheit so umgeht, der kann auch keine Zukunft gestalten.

SPIEGEL: Bei den jüngsten Wahlen in Brandenburg und Sachsen haben die amtierenden Ministerpräsidenten vom Wunsch vieler Wähler nach Stabilität profitieren können. Eine Stimme für Dietmar Woidke und Michael Kretschmer war immer auch eine Stimme gegen instabile Verhältnisse durch AfD-Zuwächse. In Thüringen wird es doch genauso laufen, oder nicht?

Mohring: Keineswegs. Der entscheidende Unterschied zu Sachsen und Brandenburg ist dieser: Mit mir gibt es eine echte Alternative als Ministerpräsident. Woidke und Kretschmer hatten offenbar keine wahrnehmbaren Herausforderer. Ramelow weiß das, er geht mir aus dem Weg. Neulich hat er sogar ein zugesagtes TV-Duell mit mir abgesagt. Er kneift. Und das hat einen Grund: Bodo Ramelow braucht den AfD-Rechtsausleger Björn Höcke, und Höcke braucht Ramelow.

SPIEGEL: Wie meinen Sie das?

Mohring: Der Ministerpräsident scheut die Auseinandersetzung in der Mitte, weil das seiner destruktiven Wahlkampfstrategie widerspricht. Ramelow setzt alles daran, Höcke als sein Gegenüber im politischen Spektrum zu provozieren, um eine Polarisierung der Gesellschaft zu erreichen. Das ist eine Gefahr für die Demokratie. Ramelow hofft darauf, dass er nach der Wahl auch ohne Mehrheit einfach geschäftsführend im Amt bleibt. Das wäre keine gute Lösung für Thüringen.

SPIEGEL: Einige Prominente, auch aus den Unionsparteien, haben Ihnen nahegelegt, im Falle des Falles eine linke Minderheitsregierung zu tolerieren. Was spricht dagegen?

Mohring: Alles spricht dagegen. Wir wollen die Linke an der Regierung ablösen, nicht ihre Herrschaft verlängern. Klare Abgrenzung nach links, klare Abgrenzung nach rechts und Kampf um die bürgerliche Mitte – das ist unsere Strategie. Mit der Linken und der AfD, den beiden Parteien an den Rändern der Politik, wollen wir nicht koalieren. Am meisten enttäuscht mich übrigens die Äußerung von Altbundespräsident Joachim Gauck, den ich sehr schätze. Wir kommen beide aus dem Neuen Forum, der Bürgerrechtsbewegung in der DDR. Doch wie kann er uns in diesen Oktobertagen, an denen unter anderen Umständen 70 Jahre DDR gefeiert worden wären, den Rat erteilen, mit der Linkspartei zusammenzuarbeiten?

SPIEGEL: Die Junge Union fordert die Urwahl des künftigen Kanzlerkandidaten der Union. Gute Idee?

Mohring: Das ist untauglich, um die Probleme der CDU zu lösen. Diese permanente Selbstbeschäftigung verstärkt die Wahrnehmung der Bürger, dass es Politikern immer nur um ihre eigenen Posten geht. Die inhaltliche Arbeit, die auch die Große Koalition leistet, geht völlig unter. Mir wäre es lieb, wenn wir jetzt mal aufhören könnten mit diesen Debatten.

SPIEGEL: Moment mal, als es um die Nachfolge von Angela Merkel im Parteivorsitz ging, da haben Sie alle doch die Beteiligung der CDU-Mitglieder gefeiert. Warum gilt das nicht bei der Frage nach der Kanzlerkandidatur?

Mohring: Wir sehen doch, dass noch immer viele mit dem Ergebnis der Vorsitzendenwahl hadern. Aber langsam sollten sich mal alle hinter Annegret Kramp-Karrenbauer versammeln und sie nicht ständig infrage stellen. Wozu das permanente Auswechseln von Parteivorsitzenden führt, das können Sie bei der SPD beobachten. Und die Kanzlerkandidatur steht doch jetzt gar nicht an – anders als damals die Entscheidung über den CDU-Vorsitz. Wollen wir wetten? Angela Merkel bleibt bis 2021 Kanzlerin. Die K-Frage stellt sich dementsprechend Ende 2020 – und nicht eine Woche vor der Landtagswahl in Thüringen.

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